Aichner B.,Totenfrau by Bernhard Aichner

Aichner B.,Totenfrau by Bernhard Aichner

Autor:Bernhard Aichner [Aichner, Bernhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2015-06-01T22:00:00+00:00


27

Massimo. Er will sie wieder berühren, ihre Haut, sich an sie schmiegen. Leise sagt er es. Er sitzt neben ihr am Esstisch, die Kinder spielen am Boden. Abendessen. Massimo. Er ist einfach vorbeigekommen, er will für sie da sein. Seine Hilfsbereitschaft, seine Fürsorge, seine warme Hand, die sie berührt. Ich brauche Zeit. Bitte. Ich weiß nicht, ob das klug war, ich war allein. Ich bin dir dankbar, Massimo. Bitte lass uns nichts überstürzen. Ich muss nachdenken, Massimo. Du bist wundervoll. Trotzdem war es falsch. Wegen Mark. Du weißt es. Verzeih mir. Ohne Worte sagt sie es. Nur ihre Finger, die seine berühren. Sie sprechen, streicheln ihn, trösten ihn. Weil sie weiß, dass er mehr will. Bei ihr sein will, Tag und Nacht. Massimo und Blum. Doch sie kann nicht. Noch nicht. Sie hat Angst davor, sie will es nicht. Dass die Kinder es sehen. Karl. Das Vertraute, das da plötzlich zwischen ihnen ist. Diese Nähe, die Blum jetzt abstreifen will, loswerden will. Es ist wie eine Last plötzlich, dass er da ist, dass er etwas von ihr will, Massimo. Dass sie ihm sagen muss, dass er gehen soll, dass es ihr lieber ist, wenn er anruft, bevor er kommt. Blum weiß, dass sie einen Fehler gemacht hat, dass sie nur an sich gedacht hat, dass sie ihm wehtut, wenn sie ihm sagen wird, dass er gehen soll. Dass sie alleine sein will. Sie weiß es. Und seine Finger spüren es auch. Sie greifen nach ihr, sehnen sich, schreien. Massimo fleht lautlos um Liebe, doch Blum zieht ihre Hand weg. Sie will nicht mehr berührt werden, sie will nicht mehr daran denken müssen, keine Entscheidungen treffen. Bitte nicht jetzt, Massimo. Lass mir Zeit, bitte. Sie schaut ihn an und bittet ihn zu gehen. Ich muss die Kinder ins Bett bringen, ich rufe dich an. Ich danke dir, du bist ein Engel. Dann bringt sie ihn zur Tür, sie umarmt ihn, sie spürt die Wärme. Doch dann bremst sie sich, sie löst sich und schließt die Tür. Sie ist wieder allein. Mit den Kindern. Kein anderer Mann. Nur Mark. Sie sind eine Familie, sie will daran festhalten, sie will, dass es weitergeht. Das Glück. Das Leben, wie es war.

Zwei Minuten lang bleibt sie in der Garderobe stehen. Sie erlaubt sich nicht, zu weinen. Sie muss den Kindern die Zähne putzen, sie will mit ihnen spielen, will eine gute Mutter sein, ihnen eine Geschichte vorlesen. Sie muss da sein für sie, sie muss ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil Karl so viel übernimmt. Für die Mädchen da ist. Weil sie andere Dinge im Kopf hat. Blum. Alles, was passiert, was seit fünf Wochen ihr Leben durcheinanderwirbelt, sie kann es nicht loswerden. Es ist da, es beschäftigt sie, jede Minute denkt sie daran. Wenn die Mädchen schlafen, wenn sie wach sind. Sie denkt an Dunja. An die Schönborns, an den Priester. Immer. Während sie den Mädchen den Pyjama anzieht, während sie die Geschichte vom tanzenden Pferd vorliest, während sie im Dunkeln neben ihnen liegt und summt.



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